Junge Kantorei: „Nabal“

Die meisten klassischen Best-Of-CDs heißen „Wunschkonzert-Gala“ oder auch nur „Großer Querschnitt“. Diese hier heißt Nabal, was in solchem Kontext höchst ungewöhnlich und eher nach einem Händel-Oratorium als nach einem Potpourri klingt. Beides trifft zu.

Für Nabal ließ sich ein gewisser Mr. Smith, Assistent und rechte Hand des Mr. Handel ein Oratorium texten rund um eine alttestamentarische Schutzgelderpressungs-Geschichte. Diese bestückte Smith ganz keck – sein Meister war gerade erst gestorben – mit originaler Händel-Musik, ausgeborgt aus verschiedenen Opern und Oratorien.


Und siehe: Es passte. Kein Mensch merkt heute, dass Nabal nicht von Händel ist, denn es klingt Händels Musik, und zwar durchaus sein Best-Of.

Joachim Carlos Martini, der neugierige Frankfurter Musikforscher und Dirigent, hat diese Compilation kürzlich erstmals wieder aufgeführt, zu Pfingsten 2000 in der Basilika von Kloster Eberbach. Gewissermaßen als Weltpremiere liegt davon nun eine Doppel-CD vor, die auf einer Länge von reichlich zwei Stunden einiges aussagt.

So zunächst einmal: Mr. Smith war gut. Gut im Finden, aber auch im Erfinden, denn sämtliche Rezitative stammen aus seiner Hand – und diese Hand hat zu Händels Lebzeiten genug Training gehabt. Dann: Mit dem Projektensemble Barockorchester Frankfurt (es spielt auf historischen Instrumenten und in 415-Hertz-Stimmung, perfekte Begleiter der Jungen Kantorei) gibt es in Frankfurt am Main ein Potenzial an Alter Musik, das immer nur zu Pfingsten sich entfaltet, das aber qualitativ keinen Vergleich zu scheuen braucht.

Einen klangsatteren, fundamentreicheren, ja hedonistischeren Händel gibt es derzeit im CD-Regal nicht. Und, auch das immer wieder erstaunlich: In der Eberbacher Basilika, nicht eben ein schlanker Bau, kann man wirklich Tonaufnahmen hinbekommen, die völlig natürlich und angenehm akustisch klingen.

Das mittlerweile fünfte Händel-Oratorium auf CD unter der Leitung von Joachim C. Martini: Zwar nicht ganz von Georg Friedrich Händel, aber wirklich nicht von schlechten Eltern!

Junge Kantorei: Nabal. Zum Preis von 65 Mark zu beziehen über die Geschäftsstelle der Jungen Kantorei, Grüner Weg 11, 34613 Schwalmstadt.

Frankfurter Rundschau Online vom 19.2.01
Stefan Schickhaus